| BILD: Sie reisen diese Woche zum Antrittsbesuch nach Berlin. Was hat Deutschland von Polens neuem Präsidenten Duda zu erwarten?
Duda: „Nichts Revolutionäres, aber sicher einige Korrekturen: Polen wird sich in die Politik Europas aktiver einbringen. Die Europäische Union muss sich neu ausrichten für die Zukunft, insbesondere in der Sicherheitspolitik. Und ganz besonders im östlichen Teil unseres Kontinents. Daran will und wird Polen seinen Anteil haben. Wir werden darauf achten, dass unsere Stimme gehört wird. Was Deutschland betrifft: Die Deutschen sind unsere größten und wichtigsten Nachbarn, wirtschaftlich und politisch. Unser Verhältnis ist sehr gut, und ich würde gern daran mitwirken, dass es sehr, sehr gut wird."
BILD: Diese guten Beziehungen erfuhren zuletzt eine Eiszeit, als die Brüder Lech und Jaroslaw Kaczynski Polen regierten. Sie, Herr Präsident, gelten als Erbe der Kaczynskis. Wiederholt sich Geschichte nun?
Duda: „Ich erinnere mich gut an die Amtszeit der Kaczynskis, ich war teils ja selbst beteiligt als Mitarbeiter. Aus meiner Sicht haben damals vor allem viele Medien diese Situation zugespitzt und hochgespielt. Die Beziehungen zwischen Warschau und Berlin waren immer deutlich besser als ihr Ruf. Und ich werde alles daran setzen, dass das so bleibt. Ich habe großen Respekt vor den Deutschen. Meine Frau ist Deutschlehrerin, wir haben das Land viele Male bereist und auch privat viele Freunde dort."
BILD: Empfinden Sie den deutsch-polnischen Umgang immer als Verhältnis auf Augenhöhe?
Duda: „Da bin ich Realist. Wir sind Nachbarn, wir schätzen einander. Diesen Respekt darf man nicht an militärischer oder wirtschaftlicher Stärke messen. Es geht darum, dass beide Seiten bemüht sind, begründete Interessen des Partners zu verstehen und anzuerkennen."
BILD: Dennoch liegen Sie in vielen konkreten Punkten mit der deutschen Politik über Kreuz – vor allem beim Krieg in der Ukraine und dem Umgang mit Moskau. Tritt Angela Merkel gegenüber Wladimir Putin energisch genug auf?
Duda: „Ich denke, Kanzlerin Merkel vertritt innerhalb Europas eine sehr entschlossene Haltung gegenüber Russland. Ich wünschte, ganz Europa würde diese Entschlossenheit unterstützen. Nur so kommen wir zu konkreten Ergebnissen."
BILD: … und diese Ergebnisse wären?
Duda: „Ein wirkliches Ende des Konflikts in der Ukraine, nicht nur ein Einfrieren der Lage. Wir dürfen ja nicht vergessen: Hier ist ein souveränes Land von einem Nachbarstaat überrannt, überfallen worden – direkt vor unserer Haustür. Russland hat Völkerrecht gebrochen. Das können wir nicht einfach übergehen. Wir müssen darauf bestehen, dass der frühere Status Quo wiederhergestellt wird."
BILD: Das heißt: Russland muss auch die Krim zurückgeben an die Ukraine?
Duda: „Ja, Europa muss darauf bestehen und darf nicht zulassen, dass unser über Jahrzehnte gehüteter Frieden einfach gebrochen wird. Ich habe gerade mit dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko telefoniert. Er erzählte mir, dass nach dem Minsker Abkommen die Angriffe der Separatisten zwar weniger geworden sind, aber es gibt immer noch Kampfhandlungen und Angriffe. Jeden Tag sterben Menschen. Der vereinbarte Waffenstillstand wird also nicht eingehalten."
BILD: In der deutschen Regierung herrscht Skepsis gegenüber einer Vollmitgliedschaft der Ukraine in EU und Nato. Setzt sich Polen für die Aufnahme der Ukraine in beiden Bündnissen ein?
Duda: „Generell ja, wir müssen die Ukraine integrieren, auch wenn das im Moment sicher nicht auf der Tagesordnung steht. Zunächst brauchen wir einen dauerhaften Frieden und sichere Verhältnisse. Aber die können wir auf ukrainischer Seite nur erreichen, wenn das Land eine Perspektive bekommt, politisch und wirtschaftlich, um sich zu entwickeln und die Bedingungen für eine Mitgliedschaft zu erfüllen. Europa muss den Ukrainern auf diesem Weg helfen, ihnen beistehen. Eine demokratisch verfasste, stabile Ukraine an unserer Seite – das ist eine gewaltiges Potenzial, eine Investition in die Zukunft und keine Belastung."
BILD: Welche Mittel hat der Westen noch, um den Krieg in der Ukraine zu beenden – noch schärfere Sanktionen gegen Moskau? Waffen für den Kampf gegen die Separatisten? Oder ständig präsente Nato-Truppen an der Ostgrenze Polens?
Duda: „Natürlich möchte ich bei meinem Besuch in Berlin auch darüber sprechen, wie der Druck auf Moskau verstärkt werden kann. Um im Endeffekt den Krieg zu beenden und einen dauerhaften Frieden zu erreichen. Eine andere Frage ist, wie die Nato auf die veränderte geopolitische Lage an der Ostgrenze des Bündnisses reagieren soll. Selbstverständlich wünschen wir uns eine stärkere Präsenz der Nato in dieser Region, auch in Polen. Die ersten sofortigen Entscheidungen wurden bereits auf dem Gipfel in Newport in Wales getroffen. Man braucht aber weitere dauerhafte Lösungen, die real die Sicherheitsgarantien stärken."
Morgen Teil 2: Duda über die Flüchtlingskrise in Europa | | | | |
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