| „Danke denen, die auch vor Ort Hass zu ertragen haben." (Angela Merkel in Heidenau, Sachsen)
Von ALEXANDRA WÜRZBACH
Heidenau – Es ist ein neues Gefühl, ein Scheißgefühl. Die Kanzlerin begegnet blankem Hass, Menschen, die sich nicht scheuen, Angela Merkel Worte wie „Volksverräterin" direkt ins Gesicht zu schleudern.
Spät, für viele zu spät, hatte sich die Regierungschefin entschieden, in Heidenau (16 500 Einwohner) selbst ein Zeichen zu setzen. Ein Blitzbesuch in der deutschen Pöbel-Metropole – 90 Minuten für die fast 600 Flüchtlinge im alten „Praktiker"-Markt, geschützt von starken Polizeikräften vor Rechtsradikalen.
„Pack" hat Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) die Neonazis bei seinem Besuch am Montag genannt.
Jetzt steht es da, das Pack! Und brüllt Merkel zur Begrüßung ins Gesicht: „Wir sind das Pack!", „Wir sind das Volk!", „Volksverräterin". Die Leute pfeifen, grölen, buhen. Die Kanzlerin senkt den Kopf, geht auf niemanden zu. Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) läuft neben Merkel. Er sieht unglücklich aus. Dabei sollte es ein schöner Tag werden. Merkel in der Wiege der deutschen Uhrenmanufaktur Glashütte.
Aber hier, in Sachsen, gehen heute die Uhren anders. Fast fünf Prozent haben bei der Landtagswahl NPD gewählt, fast zehn Prozent die rechtskonservative AfD. Hier entstand Pegida mit ihren Anti-Ausländer-Parolen, dabei liegt der Ausländeranteil bei nur drei Prozent. Mehr als 300 Menschen haben stundenlang auf Merkel gewartet. Viele wollen nicht reden, sondern pöbeln. Die meisten keine Neonazis, aber Dumpfbürger.
Da steht z. B. eine junge Mutter (19) mit ihrem Baby (9 Monate): „Ich habe Angst, trau mich abends gar nicht mehr auf die Straße. Man hört ja so viel, dass die Ausländer vergewaltigen und so."
Als Merkel in der Notunterkunft mit Flüchtlingen spricht, sind Medien nicht zugelassen. Die Menschen hätten ihr gedankt und sogar Beifall geklatscht, heißt es. Abschied, knappes Statement. Klartext: „Es gibt keine Toleranz gegenüber denen, die die Würde anderer Menschen infrage stellen", sagt Merkel. Und: „Es gibt keine Toleranz gegenüber denen, die nicht bereit sind zu helfen, wo rechtlich und menschlich Hilfe geboten ist." Mutig.
Auf der Straße gegenüber tobt der Mob.
Einer Heidenauer Rentnerin (69), die nur Bärbel genannt werden will, schwant Böses: „Es ist so schlimm, was hier passiert! Das haben die armen Menschen in der Notunterkunft nicht verdient. Aber das Schlimmste – ich glaube, dass alles noch schlimmer kommt. Diese ganzen Krawalle, das war bestimmt nur der Anfang." | | | | |
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