| Berlin/Brüssel – Gerüchte, Nebelkerzen – und ganz plötzlich neue Angebote: Am Tag vor der drohenden Pleite Athens liefern sich EU, Euro-Staaten und Griechenland erneut einen irren Polit-Poker!
DAS PROTOKOLL:
8.00 Uhr: Frankreichs Finanzminister Michel Sapin meldet sich am Morgen als erster zu Wort. Sein Appell an die Griechen: Stimmt beim Referendum am Sonntag mit JA – dann gibt es neue Hilfen!
Gegen 8.30 Uhr: Auch EU-Chef Jean-Claude Juncker (69) lässt erklären: Es gibt einen „letzten Vorschlag" für Alexis Tsipras (40): Der Griechen-Premier soll das jüngste Reformpaket von EU, EZB und IWF noch annehmen, für ein JA beim Referendum werben. Im Gegenzug soll Athen frisches Geld erhalten.
Tsipras' prompte Antwort: NEIN!
11.27 Uhr: Die erste Kehrtwende! Die griechische Zeitung „Kathimerini" meldet: Tsipras will doch auf Junckers Angebot eingehen.
Und in Brüssel wird gestreut: Die Appelle an die Tsipras-Regierung einzulenken „zeigen Wirkung".
11.40 Uhr: In Athen steht eine vollgetankte Regierungsmaschine bereit – falls Tsipras kurzerhand nach Brüssel fliegen will, heißt es. Aber Tsipras will nicht.
Gegen 13.00 Uhr: Griechen-Finanzminister Yanis Varoufakis (54) kündigt an: Athen wird die bis Mitternacht fällige Kreditrate an den IWF über 1,6 Milliarden Euro nicht zahlen!
14.17 Uhr: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erklärte vor Unionsabgeordneten, dass Griechenland auch bei einem „Nein" beim Referendum am Sonntag in der Euro-Zone bleibt.
Gegen 15.00 Uhr: Die nächste Überraschung! Beim Euro-Rettungsschirm ESM in Luxemburg geht ein zweiseitiger Brief von Tsipras ein. Inhalt: Athen will ein 3. Hilfspaket über 30 Milliarden Euro! Laufzeit: 2 Jahre!
15.10 Uhr: Fraktionssitzung von CDU/CSU im Reichstag: Auf Drängen von Fraktionschef Volker Kauder (65) erläutert Kanzlerin Angela Merkel (60) den Stand zum Griechen-Poker. Sie rechne fest mit Auslaufen des 2. Hilfsprogramms für Athen um Mitternacht, sagt Merkel. Und: „Heute wird nichts mehr passieren..."
15.48 Uhr: Eilmeldung von dpa: Griechenland will ein 3. Hilfspaket! Hektische Minuten in Brüssel: Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem (49) sagt kurzfristig Interviews ab, um den Antrag zu prüfen.
Gegen 16 Uhr: Merkel unterbricht die Fraktionssitzung, zieht sich mit Vizekanzler Sigmar Gabriel (55, SPD) in einen Raum vorm Unions-Fraktionssaal zurück. Zehnminütige Beratung – dann steht für beide fest: Das neue „Angebot" aus Athen ist wieder eine Nebelkerze. Das Papier enthalte keinerlei Reform-Zugeständnisse, nur neue Forderungen. Fazit: „Keine neuen Verhandlungen vor dem Referendum am Sonntag!"
18.35 Uhr: Kurz-Ansprache der Kanzlerin auf dem Sommerfest des CDU-Mittelstands (PKM) in Berlin: Vor dem Referendum am Sonntag „werden wir über gar nichts neu verhandeln".
18.40 Uhr: Nächste Kehrtwende in Athen! Die Regierung will die fällige Rate an den IWF nun doch zahlen, hat aber Aufschub beantragt, erfährt BILD.
19.00 Uhr: Die eilig einberufene Telefonkonferenz der Euro-Finanzminister (Euro-Gruppe) beginnt.
20.05 Uhr: Die Telefon-Konferenz ist vorbei! Die Minister sind sich einig: Die neuen Forderungen Athens sind inakzeptabel. Das 2. Hilfsprogramm läuft um Mitternacht aus...
ABER: Athen will nochmal neue Reformvorschläge vorlegen. Und die Finanzminister wollen darüber heute um 11.30 Uhr in einer Telefokonferenz beraten.
21.04 Uhr: Selbst ein Aussetzen des Referendums ist nun wieder im Gespräch: Finanzminister Varoufakis erklärte in der Telefon-Schalte, seine Regierung sei bereit, auf das Referendum zu verzichten – wenn es im Gegenzug einen Schuldenschnitt für Griechenland gibt.
22.13 Uhr: Die Ratingagentur Fitch stuft die Bonität Griechenlands um eine Stufe auf „CC" von „CCC" herab.
Schlusswort von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz: „Es ist sicherlich selten, dass man von historischen Ereignissen reden kann, aber das, was derzeit geschieht, was in den letzten Stunden geschehen ist, das habe ich noch nie in meinem politischen Leben erlebt."
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