| Von PETER TIEDE (Athen)
Athen – Die Verhandlungen im Schulden-Streit mit den Gläubigern sind gescheitert, Griechenland steht am Abgrund, Regierungschef Alexis Tsipras will die Griechen in einem Referendum über ein Angebot der Gläubiger entscheiden lassen. BILD fragte Finanzminister Yanis Varoufakis (54):
BILD: Herr Varoufakis, Ihr Premierminister ruft die Griechen zu einem Referendum über ein Angebotspapier der Gläubiger-Troika. Heißt das, die Verhandlungen sind unterbrochen – oder beendet?
Yanis Varoufakis: „Weder noch. Am 25. haben uns die Institutionen im Rahmen der Euro-Gruppe einen ausführlichen Vorschlag vorgelegt. Die Zeit lief aus. Wir konnten dem nicht zustimmen, konnten ihn aber auch nicht einfach zurückweisen angesichts der Bedeutung der Sache für die Zukunft Griechenlands.
So haben wir uns entschieden, uns an die Bürger zu wenden, ihnen unsere ablehnende Haltung dazu zu erläutern, aber ihnen die Wahl zu lassen. Für neue Vorschläge der Institutionen bleiben wir aber offen. Falls diese neuen Vorschläge kommen sollten und wir sie für signifikant besser halten, können wir unsere Empfehlung jederzeit ändern und den Wählern vorschlagen, für sie zu stimmen.
Was also uns betrifft, so sind wir weiter bereit, zu verhandeln in der Zeit, in der die Menschen ihre Abwägung zu treffen haben."
BILD: Werden von Ihrer Seite neue Vorschläge kommen?
Yanis Varoufakis: „Nein, wir haben unsere Vorstellungen bereits auf den Tisch gelegt. Sie sind fair und mit erheblichen Zugeständnissen verbunden.
Sie sind eingebettet in ein solides Finanzkonzept, das verbunden ist mit der bedeutsamen Erwartung, die Krise ohne weitere Geldzahlungen an den griechischen Staat zu beenden. Es ist jetzt an den Institutionen, guten Willen zu zeigen."
BILD: Das Memorandum endet am 30. Juni – ohne das bekommen Sie die letzte Rate von 7,2 Mrd. Euro nicht. Und die EZB wird die ELA-Hilfe stoppen. Nun sieht es so aus, als würden ab Montag Kapitalverkehrskontrollen eingeführt werden…
Yanis Varoufakis: „Wir müssen diesen Schritt gehen, da Europa solch ein fürchterliches Geschehen erzwingt – nur um unsere Regierung zu demütigen und trotz der rücksichtsvollen, gemäßigten, auf Versöhnung bedachten Vorschläge von unserer Seite – dann müssen sich die Europäer die Frage stellen, die der italienische Regierungschef angesichts des spektakulären Scheiterns in der Flüchtlingsfrage stellte: ‚Wollen wir solch ein Europa?'"
BILD: Aus ihrer Sicht: Gibt es noch Spielraum zwischen Ihnen und der Eurogruppe? Und: Was sollte von beiden Seiten noch versucht werden?
Yanis Varoufakis: „Ich bin ein ewiger Optimist. Europa hat wieder und wieder nachgewiesen, dass es seine Wunden heilen und seine Streitereien überwinden kann. Es kommt nur darauf an, das Gemeinsame zu betonen.
Bis jetzt aber ist uns immer gesagt worden, wir könnten jede Übereinkunft haben, die wir wollten – aber nur wenn es genau die ist, die dem Memorandum der Institutionen entspricht."
BILD: Sie sagten jüngst zu BILD, nur Bundeskanzlerin Merkel könne den entscheidenden Beitrag leisten – ist das immer noch so?
Yanis Varoufakis: „Ja – absolut. Die Institutionen haben kein Mandat dafür, schwierige Reformen mit einer klugen Umschuldungspolitik zu verbinden.
Die EU-Spitze in Brüssel ist für politische Initiativen nicht geschaffen. Die Regierungschefs der EU müssen handeln. Und von ihnen hält Kanzlerin Merkel als Vertreterin des wichtigsten Landes den Schlüssel in der Hand. Ich hoffe, sie nutzt ihn."
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