| Aus Zürich berichtet Marc Schmidt
Er hat es wieder geschafft.
Trotz Razzien. Trotz Verhaftungen. Trotz Ermittlungen wegen Korruption. Joseph S. Blatter (79) bleibt Präsident der Fifa. Zum fünften Mal wählten die 209 Mitgliedsstaaten den Schweizer zum Chef des Weltfußballverbandes.
SCHÄMT EUCH!
Noch vier Jahre Blatter. Trotz aller Aufrufe, ihn endlich zu stürzen. Trotz WM-Boykott-Drohungen aus Europa. Am Ende hat der Skandal-Präsident noch immer genug Freunde in der Parallelwelt Fifa.
Blatter: „Ich war etwas nervös, das gebe ich zu. Ich mag euch, ihr habt mich in die Fifa zurückgebracht. Ich bin nicht perfekt." Als ob man DAS nicht wüsste...
Es war knapp: 133 Stimmen holte Blatter. Nicht die im ersten Wahlgang erforderliche Zweidrittelmehrheit. Sein Glück, dass Herausforderer Prinz Ali bin al-Hussein (39) auf einen zweiten Wahlgang verzichtete. Ein Sieg ohne Glanz für Blatter.
So lief der Wahlkrimi.
- 9.43 Uhr. Neben Präsident Blatter bleiben vier Stühle leer: Die Vize-Präsidenten Jeffrey Webb (50) und Eugenio Figueredo (83) sitzen im Knast. Der Brasilianer Marco Del Nero (74) hat Zürich fluchtartig verlassen.
- 9.53 Uhr. Zwei Frauen mit Palästina-Flagge stürmen in den Saal, kreischen: „Rote Karte für die Fifa!" Blatter stockt, ruft: „Security, bitte!" Die Frauen werden abgeführt. Später geben sich die Vertreter von Israel und Palästina die Hand.
- 10.03 Uhr. Generalsekretär Valcke stellt fest: „209 Mitgliedsnationen sind anwesend, Herr Präsident." Vollzählig, trotz Verhaftungen. Blatter applaudiert.
- 10.26 Uhr. Der Präsident erzählt das gleiche Blabla wie am Tag zuvor. „Wir dürfen nicht zulassen, dass der Ruf der Fifa in den Schmutz gezogen wird." Wieder sieht Blatter die Schuld bei Einzelnen. Nicht in der Struktur, die er aufgebaut hat. Er werde als Präsident verantwortlich gemacht, sei es aber nicht. Polit-Sprech par excellence: „Ich möchte die Verantwortung mit euch teilen."
Warmer Applaus.
- 10.59 Uhr. Hinter den Kulissen wird gerechnet. Neuseeland, Australien, USA wollen für Prinz Ali stimmen. „Es war gestern auf der Dinner-Veranstaltung vielfach zu spüren, wenn man mit den Leuten gesprochen hat, dass bei dem einen oder anderen Land eine Umkehr in der Meinung eingetreten ist", hofft Ligapräsident Reinhard Rauball (68).
- 11.55 Uhr. Mittagspause. Während sich die Delegierten an einem leichten Lunch (Hühnchen, Fisch, Salat) erfreuen, wird der Saal durchsucht: eine Bombendrohung. Fehlalarm.
- 15.12 Uhr. Dem Bericht zur Fifa-Initiative „Handshake for Peace" schließt Blatter gut gelaunt die Aufforderung an: „Lasst uns alle Hände schütteln!" Alle gehorchen. Ein Journalist scherzt: „Händeschütteln für den Frieden – nicht zu verwechseln mit Handschellen für Gerechtigkeit."
- 16.04 Uhr. Blatter verabschiedet scheidende Mitglieder des Exekutivkomitees. Handschlag, Wimpel, Abschiedsfoto. Der abwesende Theo Zwanziger wird nur kurz erwähnt. Als neues Mitglied der Fußball-Weltregierung wird DFB-Chef Wolfgang Niersbach begrüßt. Er schüttelt Blatters Hand, lächelt sehr dünn.
- 16.33 Uhr. DIE WAHL BEGINNT. Herausforderer Prinz Ali aus Jordanien wendet sich an die Delegierten. „Wir stehen an einem Scheideweg. Es braucht einen engagierten Anführer. Ich ziehe den Kopf nicht ein." Er verspricht Transparenz. Er bekommt 13 Sekunden Applaus.
- 16.48 Uhr. Blatter gibt sich kämpferisch. „Fußball braucht einen starken, erfahrenen Anführer. Sie kennen mich. Sie wissen, mit wem sie es zu tun haben. Ich weiß, ich kann auf Sie zählen." Mäßiger Beifall.
- 17.05 Uhr. Die Wahl beginnt. Afghanistan gibt die erste Stimme ab. Um 17.34 Uhr wählt DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock für Deutschland.
- 18.56 Uhr. Fifa-Vize Issa Hayatou verkündet nach der Stimmen-Auszählung: Ein 2. Wahlgang muss her.
- 19.11 Uhr. Prinz Ali verkündet: Er verzichtet auf den 2. Wahlgang. Er hat Blatter einen Denkzettel verpasst, aber keine Chance auf mehr Stimmen.
Blatter fordert höhere Hilfe ein: „Gott, Allah und alle Mächte, an die wir glauben, sollen die Fifa wieder zurückbringen, wo sie hingehört."
DFB-Präsident und Blatter-Gegner Wolfgang Niersbach: „Ich glaube nicht, dass er sich ändern wird." Heute Vormittag wird Niersbach seine erste Sitzung in Blatters Regierung, dem Exekutivkomitee, erleben.
Es blattert alles weiter wie bisher ...
| | | | |
0 Comments